Gelungener Auftakt für „WIR MÜSSEN REDEN“
Podiumsdiskussion des AWO Kreisverbandes gibt viele Denkanstöße
Tolle Gäste, ein interessiertes Publikum und viele wichtige Denkanstöße: Am Vorabend des Internationales Tages gegen Rassismus hat der AWO Kreisverband Bremerhaven mit einer Podiumsdiskussion deutlich gemacht: „WIR MÜSSEN REDEN – über unseren ganz persönlichen Rassismus“. 60 Besucherinnen und Besucher im Capitol zogen viele Anregungen zur kritischen Reflexion eigener Verhaltensmuster aus dem spannenden Impulsvortrag der Anti-Rassismustrainerin Ikram Errahmouni-Rimi und den Beiträgen der Podiumsteilnehmer*innen.
Michael Mindermann (Antidiskriminierung in der Arbeitswelt), Astrid Bormann (Deutsches Auswandererhaus), Dr. Margaret Brugman (AWO-Fachbereich Migration) und Fuat Kamcili (Büro der Migrationsbeauftragten des Landes Bremen) betonten in der von Eckart Kroon (AWO Geschäftsführer) moderierten Veranstaltung: Rassismus ist Alltag in Deutschland und wir können und dürfen nicht aufhören, etwas dagegen zu tun – jede*r einzelne*r aber auch Politik, Arbeitgeber, Verwaltungen und andere Institutionen.
„Rassismus fängt da an, wo wir Gruppen konstruieren und ihnen bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen zuschreiben“, sagte Ikram Errahmouni-Rimi in ihrem Eingangsvortrag: „Aber die Muslime, die Asiaten, die Afrikaner gibt es ebenso wenig wie menschliche Rassen.“ Und zweifelsfrei stehe fest: „Rassismus hat einen sehr großen Einfluss auf die Lebensrealität der Menschen.“ Das sei belegt durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, Studien, Umfragen und Statistiken. Die Studie „Max vs. Murat“ belegt schlechtere Bewertung von Diktaten mit dem Namen Murat im Vergleich zu jenen mit dem Namen Max. Die Studie „Vielfalt im Klassenzimmer“ verdeutlicht: Lehrer*innen haben weniger Erwartungen an Schüler*innen mit türkischen Namen im Vergleich zu jenen mit deutschen Namen. Eine weitere Studie zeigt auf, dass fehlende rechtliche, sprachliche und bürokratische Kenntnisse sich negativ auf die Erfolgsaussichten eines SGB II-Antrags auswirken. Personen mit guten Deutschsprachkenntnissen und Know-how über die eigenen Rechte und Pflichten haben Aussicht auf Erfolg. Und: Bewerber*innen mit türkischem Namen, die sich per E-Mail auf eine Wohnung bewerben, erhalten seltener eine Antwort als Bewerber*innen mit deutschem Namen – trotz vergleichbarem beruflichen Status.
„All diese Statistiken und Zahlen müssen wir als Gesellschaft endlich ernst nehmen“, forderte Fuat Kamcili. Doch leider sei festzustellen, dass sich bei wichtigen gesellschaftlichen Debatten und auch bei gefährlichen Tendenzen zu viele Menschen und auch Institutionen einfach raushalten und schweigen: „Deswegen ist es wichtig, an ganz vielen Stellen den Diskurs anzustoßen, in Dialog zu treten, Verbesserungen in die Wege zu leiten und Chancengleichheit herzustellen.“
Es sei ein Lernprozess für jede*n, sich immer wieder zu hinterfragen und sich nicht angegriffen zu fühlen, wenn man sich selbst – oft auch unbeabsichtigt – rassistisch verhalten hat.
Michael Mindermann
„Aber das stößt auch auf Widerstände, weil sehr viele von Rassismus profitieren: Menschen, die Macht haben, sie ausüben und damit über die Lebensumstände anderer bestimmen“, betonte Ikram Errahmouni-Rimi.
Dass auch in der Arbeitswelt Rassismus allgegenwärtig ist, hob Michael Mindermann hervor: „Das fängt an mit Bewerbungen von Frauen mit Kopftuch, die unbeantwortet bleiben und endet damit, dass bei Beschwerden über rassistisches Verhalten im Betrieb oder Büro die Beschwerdeführer zum Problem gemacht werden und nicht der augenscheinliche Rassismus.“ Es sei ein Lernprozess für jede*n, sich immer wieder zu hinterfragen und sich nicht angegriffen zu fühlen, wenn man sich selbst – oft auch unbeabsichtigt – rassistisch verhalten hat.
Die Gesellschaft muss auf jede Form des Rassismus reagieren. Bleibt die Reaktion aus, ist unsere Demokratie tot.
Ikram Errahmouni-Rimi
Ein rassismusfreies Deutschland konnten sich die Podiumsteilnehmer*innen nicht wirklich vorstellen. Aber es sei für ein gleichberechtigtes Zusammenleben immens wichtig, an der Vision zu arbeiten. Museumspädagogin Astrid Bormann betonte: "Eine Gesellschaft kann an ihren Konflikten wachsen und daraus lernen." Außerdem sei es wichtig, in Bildung und Erziehung anzusetzen. Margaret Brugman ergänzte: „Und das so früh wie möglich: Man muss sich ja nur mal Schulbücher ansehen: Da haben die Kinder blonde Haare und die Mädchen tragen rosa Röckchen – das müssen wir ändern. Und wir dürfen nicht vergessen, dass Rassismus Armut verursacht.“ Fuat Kamcili ist aber auch zuversichtlich: „Ich habe das Gefühl, es wächst eine Generation heran, die sensibler mit dem Thema umgeht.“ Ikram Errahmouni-Rimi forderte: „Die Gesellschaft muss auf jede Form des Rassismus reagieren. Bleibt die Reaktion aus, ist unsere Demokratie tot.“
AWO-Geschäftsführer Eckart Kroon kündigte weitere Veranstaltungen in der Reihe „WIR MÜSSEN REDEN“ an: „Als sozialpolitischer Verband werden wir weiter Themen aufgreifen, die uns am Herzen liegen.“
Die Veranstaltung mit Unterstützung der Arbeitnehmerkammer Bremen wurde von Radio Weser TV aufgezeichnet und wird demnächst gesendet.